Text: Carsten Hahn
Drei Bezeichnungen, drei Kulturkreise und doch miteinander verwandt. Ich könnte zum Thema Gottesanbeterin über die am 18. April 1988 stattgefundene größte Operation der US-Marine seit dem Ende des Koreakrieges schreiben, einen populären chinesischen Kampfsportstil oder über unsere einheimische Natur. Bleiben wir bei der Natur. Es geht um ein Insekt, die Europäische Gottesanbeterin. Genau betrachtet handelt es sich um einen Einwanderer. Die Gottesanbeterin stammt ursprünglich aus Afrika. Im warmen Süd- und Südosteuropa seit Jahrhunderten heimisch, hatte sie sich in Deutschland ausschließlich am warmen Kaiserstuhl angesiedelt. Als Folge der globalen Erwärmung gibt es seit circa 30 Jahren in fast jedem deutschen Bundesland stabile, wenn auch kleine Vorkommen. Durch menschliche Verschleppung hat sie es sogar bis in die USA und in das südliche Kanada geschafft. Dorthin wurde sie für die biologische Schädlingsbekämpfung eingeführt.
Die Art liebt die Wärme und Trockenheit, übersteht aber im Winter in Sibirien durchaus auch Temperaturen unter -25 Grad Celsius. Besonders wohl fühlen sich die Tiere in sonnigen, trockenwarmen Gras- und Buschlandschaften und Ruderalflächen mit lockerer Vegetation. Warm und trocken heißt, dass die ehemaligen Truppenübungsplätze in Brandenburg ideale Siedlungsgebiete sein können. Erste Sichtungen aus dem Umfeld des ehemaligen Truppenübungsplatzes Altes Lager bei Jüterbog sind bestätigt.
Die Gottesanbeterin fasziniert zum einen durch ihre Größe – weibliche Tiere können bis zu 80 Millimeter groß werden – zum anderen durch ihre scheinbare Behäbigkeit bei der Jagd mit dem plötzlichen, für das menschliche Auge nicht sichtbaren Griff nach Beute und nicht zuletzt durch das etwas eigentümlichen Paarungsverhalten. Etwa ein Drittel der Männchen übersteht die Paarung nicht, sie werden von den Weibchen gefangen und gefressen. Evolutionsbiologisch macht das durchaus Sinn. Die Weibchen legen kurz nach der Paarung 200 bis 300 Eier in einem etwa vier Zentimeter langen Eipaket, einer so genannten Oothek. Diese macht ungefähr 50 Prozent der Körpermasse des Weibchens aus. Die Eiproduktion stellt eine gewaltige Stoffwechselleistung dar, jedes Gramm Eiweiß wird benötigt. Da muss das Weibchen wohl alles, was vor ihr zappelt, als potentielle Beute ansehen und verspeisen.
Die Nahrungssuche findet behäbig, mit angewinkelten, betenden Vorderbeinen statt. Das Insekt pirscht sich mit langsamem Gehen und Klettern an potentielle Beute heran. Dies sind meist kleine Insekten, ausgewachsene Tiere lassen sich aber auch schon mal mit kleinen Wirbeltieren, wie Fröschen oder Eidechsen, ein. Meint das jagende Tier, die Beute sei in Reichweite, schnellen die Vorderbeine innerhalb von circa 50 Millisekunden auf das Opfer zu. Da die Vorderbeine dornenbewehrt sind, ist die Jagd oft erfolgreich.
Gottesanbeterinnen vergreisen im Laufe des Herbstes, sterben ab und überwintern nicht. Lediglich die Ootheken überwintern. Im Mai schlüpfen die sechs Millimeter großen Jungtiere, Nymphen genannt, und beginnen nach der ersten Häutung mit der arttypischen Jagd. Erste Beute kann schon mal ein Geschwistertier aus dem gleichen Eipaket sein, man ist da nicht wählerisch. Entscheidend für den Bruterfolg ist das Angebot an kleinen Insekten in den ersten Wochen nach dem Schlupf. Im Laufe des Sommers erfolgen mehrere Häutungen. Mit der letzten Häutung im Spätsommer bilden sich Flügel und die Tiere sind geschlechtsreif. Lediglich die Männchen nutzen ihre Flügel zur Partnerinnensuche, die großen Weibchen sind so gut wie flugunfähig.
Fressfeinde sind in erster Linie Fledermäuse, lediglich den Jungtieren können Ameisen auf ihrer Jagd gefährlich werden. Mantis religiosa steht in Deutschland auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz genießt sie besonderen Schutz. Gottesanbeterinnen dürfen in der freien Natur nicht gefangen werden und die Haltung von Wildfängen ist verboten. Wer sich eine Gottesanbeterin einmal anschauen möchte, kann dies im Naturkundemuseum Potsdam tun.
Gottesanbeterin gesucht!
Das Naturkundemuseum Potsdam und die Entomologen des Freundeskreises Mantidenfreunde Berlin-Brandenburg suchen nach der Europäischen Gottesanbeterin (Mantis religiosa) und Bürgerinnen und Bürger aus Brandenburg und Berlin können sich aktiv an der Suche nach dem Insekt beteiligen. So wird zum Beispiel die Ausbreitung der Gottesanbeterin in der Region erforscht. Wenn Sie eine Gottesanbeterin sehen, werden ein möglichst genaues Foto, der Fundort (Koordinaten oder Straße/Hausnummer) und das Funddatum benötigt. Bitte mailen oder schicken Sie Foto und Infos an das Naturkundemuseum Potsdam, Dr. Dirk Berger, Breite Straße 13, 14467 Potsdam, E-Mail: dirk.berger@rathaus.potsdam.de.
Weitere Infos und eine Verbreitungskarte der Gottesanbeterin für unsere Region finden Sie hier:
www.naturkundemuseum-potsdam.de/gottesanbeterin-gesucht