„Das Internet ist für uns alle Neuland“ sagte 2013 Angela Merkel und zeigte damit auf, womit Deutschland auch heute noch zu kämpfen hat. Sind wir die Generation von Entscheider*innen, die die Chance verpassen, Deutschland international wirtschaftlich zukunftsfähig zu machen? Es sind ja nicht nur die Politiker*innen, die die Entscheidung getroffen haben, sich nicht ausreichend mit dem Thema zu beschäftigen. Es sind auch wir, die Lehrer*innen, die Arbeitgeber*innen, die Verwaltungsangestellten und alle, die durch ihr Nutzen oder Nichtnutzen der digitalen Möglichkeiten mitbestimmen, wie schnell die Digitalisierung vorangeht. Oder?
Die Zahl der Internetnutzer in Deutschland ist im letzten Jahr um ein Prozent auf 79 Prozent gewachsen. Zulegen kann fast nur noch die Altersgruppe der über 50-jährigen, da bei den Jüngeren der Wert schon bei über 90 Prozent liegt. Dieses Jahr nahm zum Beispiel die Internetnutzung der über 70-Jährigen um sechs Prozentpunkte zu.(1) Die Nutzung digitaler Angebote bietet schließlich so viele Möglichkeiten – von der einfachen Unterhaltung über Live-Chats mit den Kindern und Enkeln, Bestellung von Lebensmitteln, Online-Sprechstunden beim Arzt und durch Neuerungen wie die digitale Betreuungsunterstützung auch ein längeres selbständiges Wohnen zuhause. Trauen Sie sich ran! Betreten Sie Neuland!
Anke Pergande von der Akademie 2. Lebenshäfte beleuchtet das Thema „Digitalisierung“ aus ihrer Praxiserfahrung mit der Aufforderung – insbesondere auch für ältere Menschen – sich an die neue Technik heranzuwagen. Man gewinnt viel!
„Das brauche ich doch nicht (mehr)“ oder „Dafür bin ich doch zu alt“ oder „Das kann ich doch nicht mehr lernen“ oder „Da kümmern sich meine Kinder/Enkel drum“ – Sätze wie diese haben unsere Bildungskoordinator*innen oft gehört, wenn sie in Beratungsgesprächen die Teilnahme an einem Smartphone- oder einem Laptopkurs vorschlugen. Und wie groß war der Stolz auf den eigenen Lernerfolg und die Freude über die ersten eine fast neue Welt entdeckenden Schritte, wenn aus dem Gerät mit sieben Siegeln nach einer kleinen Weile ein im Alltag hilfreicher und vertrauter Begleiter wurde.
Und dann kam das Jahr 2020 und mit ihm die Einschränkungen zum Zweck der Pandemie-Eindämmung. Für uns, die Akademie 2. Lebenshälfte, bedeutete dies, dass wir mit unserem Angebot digital werden mussten, am besten möglichst niedrigschwellig und mit engmaschiger Betreuung. Dabei halfen die Erfahrungen, die wir mit unseren Kursen im IT-Bereich schon in den Jahren zuvor gemacht hatten. Aber nun galt es, einen Weg zu finden, Lernwünsche zu erfüllen und dabei den Gesundheitsschutz aller Beteiligten zu gewährleisten – und immer im Einklang mit den herrschenden Verordnungen zu agieren.
So stieß denn auch die Vorstellung, auf digitalem Wege etwa an einem Sprachkurs teilzunehmen, nicht bei jedem Lernenden auf Zustimmung. Groß war die Sorge, dass die Technik nicht funktioniert, dass irgendwo „falsch geklickt“ wird und man es dann doch nicht zum Kurs schafft – und sich dadurch fürchterlich blamiert. Und genauso ist auch hier die Erfahrung eine insgesamt positive: Testläufe, Ausprobieren, Einzelbetreuung auf Distanz, geduldiges auch wiederholtes Erklären und das Wissen darum, im Zweifel ganz leicht telefonische Unterstützung zu erhalten, haben die notwendigen ersten Schritte erleichtert und der erlebbare Erfolg das Selbstvertrauen gestärkt. Inzwischen laufen reine Online-Kurse genauso erfolgreich wie Hybridmodelle, bei denen einige Teilnehmende vor Ort sind, andere sich zuschalten und via Smartboard anwesend sind. Die Interaktion zwischen den Teilnehmenden selbst und auch mit den Dozent*innen ist nach einer kleinen Weile der Gewöhnung inzwischen so lebendig und aktiv, dass das Digitale gar nicht mehr auffällt. Neben Vokabeln und Grammatik haben die Teilnehmer*innen also auch den Zugang zur digitalen Welt kennengelernt und geübt.
Mit dieser Gewöhnung und dem gewonnenen Selbstvertrauen öffnen sich gleichzeitig auch weitere Möglichkeiten der Teilhabe, ohne notwendigerweise beschwerliche Wege auf sich nehmen zu müssen – etwa an virtuellen Museumsbesuchen oder online übertragenen Konzerten oder Lesungen. Oder in Zeiten des Social Distancing mit Freunden und der Familie auch visuellen Kontakt zu halten – wenn ein Sprachkurs mittels Videotelefonie stattfinden kann, dann auch ein Familientreffen. Dabei zeigt sich dann auch gleich, dass physische Einschränkungen ausgeglichen werden können: etwa Hörprobleme durch die Verwendung von Kopfhörern oder Seheinschränkungen durch die Möglichkeit der digitalen Vergrößerung.
Prinzipiell ist das Lernen auch im Alter wichtig. Es bedeutet den Erhalt von Selbständigkeit und Selbstbestimmung, wirkt gesundheitlich präventiv und erhöht insgesamt die eigene Lebensqualität. Und wenn dieses Lernen einen Schritt in die Digitalität beinhaltet – ob nun zielgerichtet oder als Nebeneffekt – dann wachsen auch die Möglichkeiten der Teilhabe an einem Trend, der inzwischen alle Bereiche von Wirtschaft, Staat, Gesellschaft und Alltag erfasst hat. Die Corona-Pandemie hat eindrücklich vor Augen geführt, wie stark diese Durchdringung mittlerweile ist. | Anke Pergande
Akademie 2. Lebenshälfte
Technik-Sprechstunde: Wie funktionieren Smartphone, Tablet, Laptop und Co?, Einzelberatung
Infos: Karl-Liebknecht-Str. 111a, 14482 Potsdam, 0331.200 46 95, www.akademie2.lebenshaelfte.de
Volkshochschule Potsdam
Kurs „Smartphone Basiswissen“: Bedienung der internen Kamera und der Umgang mit Fotos, Musik und Videos.
Infos: Am Kanal 47, 14467 Potsdam, 0331.289-45 66/-45 69, vhs.potsdam.de
Urania Potsdam
Einsteigerkurse „Mein Smartphone“ und „Mein Notebook“
Infos: Gutenbergstr. 71-72, 14467 Potsdam, 0331.29 17 41, www.urania-potsdam.de
Schickes Altern
Smartphone Einzelberatung: Leicht verständliche Erklärung aller Funktionen und üben am eigenen Gerät, jeden Mittwoch 10-13 Uhr, immer 1 Stunde, für Anfänger und Fortgeschrittene.
Infos: Charlottenstr. 19, 14467 Potsdam, Gisela Gehrmann, info@schickes-altern.de
Treffpunkt Freizeit
Digital-Kompass: Anleitungen, Informationen und Gespräche zum Umgang mit dem Internet und zur Bedienung digitaler Geräte als Einzel- oder Gruppenangebot.
Infos: Am Neuen Garten 64, 14469 Potsdam, 0331.50 58 60 16, www.treffpunktfreizeit.de
Kreisvolkshochschule Potsdam-Mittelmark
Kurse „Fit mit dem Smartphone“
Infos: www.kvhs-pm.de
Broschüre „Einstieg ins Smartphone“
Auf 64 Seiten werden grundlegende Funktionen und Einstellungen des Smartphones erklärt. Download oder Bestellung in gedruckter Form unter: youngcaritas.de/smartphone-sprechstunde
INTERVIEW
Robert und Lena studieren und betreuen in ihrer Freizeit die Techniksprechstunde eines Nachbarschaftsvereins. Sie haben uns erzählt, wem sie ein solches Angebot empfehlen würden und dass es keine Frage gibt, die nicht gestellt werden darf.
Wie oft bietet ihr die Techniksprechstunde an und wer kommt zu euch?
Normalerweise findet die Techniksprechstunde einmal im Monat statt. Willkommen sind alle, die eine Frage haben oder den Wunsch, Technik für den Alltag besser zu verstehen. Dabei ist es egal, wie alt jemand ist und was für Vorkenntnisse man hat – die Erfahrung hat gezeigt, dass es kein „zu alt“ gibt, um Kenntnisse im Umgang mit Handy und Laptop zu erwerben oder zu verbessern.
Mit welchen Fragen kann man kommen?
Alle Fragen sind möglich, sei es, wie man mit WhatsApp ein Bild verschickt oder via App das Parkticket kaufen kann. Auch bei der Entscheidung, welches Handy oder Laptop jemand kaufen sollte, helfen wir gerne, damit das passende Gerät zu einem angemessenen Preis ausgewählt werden kann.
Mit welchen Methoden habt ihr gute Erfahrungen gemacht?
Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren. Das Wichtigste ist, dass die Angst verschwindet, man könnte mit jedem Klick etwas kaputt machen – dem ist nicht so. Ist diese Sorge einmal beseitigt, geht vieles gleich besser. Davon abgesehen erklären und zeigen wir aber auch Sachen, die dann von den Besucher*innen selbst umgesetzt werden. Auch das Notieren von wichtigen Zwischenschritten kann helfen, so kann man später zuhause einfach nachsehen.
Habt ihr einen Tipp für alle, die sich fragen, ob sie eine Techniksprechstunde aufsuchen sollten?
Wir merken, dass der Umgang mit der Technik vielen Besucher*innen Freude macht und Vereinfachungen bringt. Leute, die vor einem halben Jahr ihre erste WhatsApp-Nachricht an die Enkel in der Techniksprechstunde geschrieben haben, nutzen mittlerweile ihr Handy für alles Mögliche, sei es für Busfahrpläne oder das Planen der nächsten Radtour. Das Entscheidende ist also nicht, wie viel man beim ersten Besuch in der Techniksprechstunde bereits kann, sondern dass man bereit ist, sich mit der neuen Technik auseinanderzusetzen.
(1) netzpolitik.org/2016/studie-ein-viertel-der-deutschen-sind-digital-abgehaengt